© Sihoon Kim

Mittwoch |1. Mai

18:00 Uhr | Klecks-Theater
Kestnerstraße 18 | 30159 Hannover

Symphonia

Kammerorchester Hannover

Programm
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Ticket
Eine Veranstaltung der Nordstadt-Konzerte e.V.

Programm

Vulkane, zerklüftete Landschaft, Wasserfälle, Meer – welch eine beeindruckende Szenerie zeigt sich dem Wanderer in Island! Klaus Hermann Anschütz überträgt diese Eindrücke in seine Sprache Neuer Musik, überraschende Wendungen sind zu hören, Zerklüftetes wechselt sich mit Melodischem ab, ungewohnt sind Landschaft und Klänge, man spürt den Wind, das Salz auf der Haut. Der Videokünstler Andre Bartetzki wird dazu eine Bildinstallation schaffen.

Mehr „Sichtbare Musik“ gibt es bei Tristan Murails Werk „La Barque Mystique“, dazu werden Werke von Hildegard von Bingen, Matteo di Perugia und François Andrieux erklingen, Naturbetrachtung und Kunst kommen sich nahe.

Hans-Christian Euler 

Werke von
Tristan Murail,
Klaus-Hermann Anschütz,
Hildegard von Bingen,
François Andrieux und
Matteo di Perugia


Klaus-Hermann Anschütz
»Symphonia«

Der Name „Symphonia“ meint vordergründig natürlich die kammersymphonische Besetzung des Stückes mit zwölf solistisch behandelten Streichern und Akkordeon, das Bläseraufgaben übernimmt; dazu kommt dann noch das Schlagzeug. Der Name „Symphonia“ knüpft aber auch an die Symphoniae an, die Sammlung mystisch inspirierter Gesänge der Hildegard von Bingen, aus der ein Gesang verwendet wird:

O nobilissima viriditas, quae radicas in sole,
et quae in candida serenitas luces in rota,
quam nulla terrena excellentia comprehendit,
tu circumdata es amplexibus divinorum mysterium.

Du edelstes Grün, das seine Wurzeln in der Sonne hat,
und das in heiterem, hellem Glanz leuchtet im Kreis,
von keinem noch so ausgezeichneten irdischen Sinn zu begreifen.
Du bist umfangen von der großen Umarmung der göttlichen Geheimnisse.

„Viriditas oder Grün(-kraft)“ ist für Hildegard eine universelle kosmische Lebensenergie, die ihre „Wurzeln in der Sonne“ hat - eine Vorstellung, die erstaunlich nahe bei den Erkenntnissen der Naturwissenschaft liegt. Ihr Gesang „O nobilissima Viriditas“, mit dem – sich überschlagend – Symphonia ausklingt, drückt die Hoffnung aus, das kreisende Fließen und Strömen des Lebens möge in einer liebevollen „Umarmung göttlicher Geheimnisse“ gut aufgehoben sein. 

„Fließen“ und „Strömen“ fasziniert Menschen immer wieder aufs Neue: „Panta Rhei - Alles fließt!“ sagt der Philosoph; und es zieht Menschen ans Meer, an Seen, an Flüsse - und an Wasserfälle:

So verbinde ich mit der Komposition von „Symphonia“ eine intensive Naturerfahrung: Wenn man vom Wasserfall Selfoss im Nordosten Islands am Westufer des Flusses Jökulsá á Fjöllum zum nahegelegenen Dettifoss wandert, hört man eine eindrucksvolle Symphonie aus rauschenden Klangflächen, die vom Fluß und den beiden Wasserfällen gebildet und vom Wind und dem jeweiligen Standort des Hörers im Gelände variiert werden. Vom Fluß spalten sich an einigen Stellen Bäche und Rinnsale ab, deren Plätschern vor dem Hintergrund des großen Tutti-Rauschens solistische Klangfarben hinzufügen. Am Dettifoss, dem größten Wasserfall Europas, ist die Klanggewalt des, 47m tief in die Schlucht hinabstürzenden, Wassers in seiner donnernd bewegten Ruhe geradezu überwältigend. Interessante, gleichsam raffiniert instrumentierte, Klangeffekte entstehen zusätzlich in der Umgebung durch Schallreflektionen an nahegelegenen Felswänden. Schön ist auch das Spiel des Lichtes zwischen dunklem Grau und hellem Leuchten auf der fallenden Wasserwand; und manchmal entsteht ein Regenbogen. Merkwürdig: Je nach Beleuchtung scheint auch das gewaltige Rauschen anders zu klingen ... 


Geht man nun auf der Höhe der Schlucht weiter zum ebenfalls nahegelegenen Hafragilsfoss, hört man wieder neue Klangfarben je nachdem, ob man die Wasserfälle und den Fluß in der hügeligen Landschaft direkt oder indirekt hört. Weiter im Land bilden friedliche Seen mit Wolkenspiegelungen und wunderschönen Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche ruhige Kontrapunkte; und in der nächtlichen Einsamkeit des Hochlandes erklingen vor dem leisen Rauschen von Wind und Wasser geheimnisvolle Vogelrufe in kleinen Sekunden und Mikrointervallen.

Ich habe in der Gegend mehrere Tage verbracht, bin die Wege wiederholt gegangen und habe den Plan gefasst, über die Hörerlebnisse ein Stück zu komponieren. Mich beschäftigte dabei vor allem die Frage, ob allein schon der Klang der fließenden und stürzenden Wassermassen Musik ist, oder ob Musik erst in meiner Vorstellung entsteht, weil ich mir die vom Wasser angeregten Luftschwingungen als Musik zurechthöre. Höre ich also Sinn aus den Klängen heraus oder höre ich Sinn hinein? Hildegard schreibt:

Anima hominis symphoniam in se habet et symphonizans est: Die Seele des Menschen hat Klang in sich und ist symphonisch gestimmt.

Diesen „Klang in sich“ wollte ich komponieren. Es geht also in „Symphonia“ weniger um naturalistische Lautmalerei, sondern um Vorstellungen von „Fließen“, „Strömen“ und „Lebensenergie“. Diese Bilder werden nach einem heftigen Beginn in mehreren Episoden entfaltet.

Celle, den 22. September 2021
Klaus-Hermann Anschütz 

Biografien

Kammerorchester Hannover

Im Jahre 2005 gründete Hans-Christian Euler das Kammerorchester „Pro Artibus Hannover“, 2018 wurde es wegen zunehmender internationaler Tätigkeit in „Kammerorchester Hannover“ (bzw. „Hannover Chamber Orchestra“) umbenannt. 1964 war ein Orchester unter diesem Namen von dem damaligen 1. Kapellmeister der Staatsoper Hannover, Hans-Herbert Jöris, ins Leben gerufen worden, 1990 gab dieser die Leitung an Adam Kostecki, Konzertmeister der Staatsoper Hannover, ab. Im Einverständnis mit ihm wurde der klangvolle Name nun weitergereicht und wird im Konzertleben lebendig gehalten.

Das Orchester hat seitdem regelmäßig in Hannover konzertiert, darüber hinaus auch in anderen Teilen Deutschlands und im Ausland. Gemeinsam mit seinem Dirigenten teilt es das Interesse an historisch informierter Aufführungspraxis der Musik des 18. Jahrhunderts ebenso wie an der Musik des 20. Und 21. Jahrhunderts. In den letzten Jahren gab es hier Schwerpunkte mit Musik von Mauricio Kagel, Olivier Messiaen, Pierre Boulez, Luciano Berio, Hans-Werner Henze, Wolfgang Rihm und Isang Yun. In internationalen Kooperationen trat das Orchester bei verschiedenen Festivals in Frankreich, Italien, Polen und Südkorea (Daegu und Tongyeong) auf. 

Für Konzerte in großer, sinfonischer Besetzung, für die der Name Kammerorchester nicht ausreicht, wird der Name Hannover Symphony Orchestra verwendet.

Konzertpädagogik wird vom Kammerorchester Hannover und seinem Dirigenten als wesentlicher Beitrag angesehen für die kulturelle Bildung der jungen Generationen. Die meisten Konzertprogramme werden deshalb in speziellen Konzerten für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Generalprobe jeweils am Konzerttag präsentiert.

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