Sonntag| 5. Mai
11:00 Uhr | RAMPE | Gerhardtstraße 3 | 30167 Hannover
Leuchten über der Stadt
Ensemble Megaphon
werkbühne Leipzig
Christine Hansmann - Lesung und Moderation
Ensemble Megaphon
werkbühne Leipzig
Christine Hansmann - Lesung und Moderation
Brigitte Reimann (1933–1973) war eine der bedeutendsten DDR-Autor:innen. Mitgerissen von der sozialistischen Idee, eine menschenfreundliche, gerechte Gesellschaft zu gestalten, ließ sich die künstlerisch radikale, verblüffend moderne Frau nicht davon abhalten, Missstände und Defizite mutig und offen anzusprechen. In ihrer Unangepasstheit war sie ihrerzeit für viele Menschen ein Vorbild und ist es bis heute. Gerade erlebt ihr Werk in den USA und Großbritannien seine Entdeckung und anlässlich ihres 90. Geburtstages 2023 deutschlandweit große Aufmerksamkeit.
Das Regieteam Anja-Christin Winkler und Ilka Seifert (werkbühne leipzig e.V.) entwickelt gemeinsam mit dem Ensemble Megaphon eine Brigitte-Reimann-Matinee, die Werke verschiedener Komponistinnen mit Tagebuchaufzeichnungen, künstlerisch-performativen Elementen und Projektionen zueinander in Beziehung setzt und zu einer multimedialen Konzert-Performance verbindet. Eingebettet wird diese in einen Rahmen, bestehend aus einer Lesung aus Reimanns Hauptwerk „Franziska Linkerhand“, die einen Einblick in ihr Schaffen gibt und eine Diskussionsveranstaltung, an der das Publikum aktiv teilnehmen kann.
Während die DDR ihren 40. Geburtstag feierte, versank sie bereits. Das ist nun 35 Jahre her. Die Friedliche Revolution ist durch eine tiefe Kerbe auf der Zeitleiste markiert, ein epochales Ereignis, vor allem auch ein kultureller Wendepunkt!
Wir wollen einen Bogen schlagen, von der kulturell durchaus von Optimismus geprägten Anfangsphase der DDR bis zur Gegenwart. Dazu nehmen wir die Künstlerin Brigitte Reimann ins Visier, die mit ihrer Klarheit, ihrer Aufrichtigkeit eine ganze Generation mitprägte und mit ihren Büchern ein Selbstverständnis und ein Selbstbewusstsein stärkte, das schließlich seinen Ausdruck in dem Demo-Spruch der Wende: „Wir sind das Volk!“ fand.
Die Triebkräfte der Wende lagen ja nicht in der Sehnsucht der DDR-Bürger nach dem „goldenen Westen“ und seinen Verführungen – die Wurzeln lagen darin, dass in dem gesellschaftlichen Großexperiment Sozialismus die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität immer offensichtlicher wurde. Diese Diskrepanz wurde jedoch vom Staat vollständig geleugnet und als Staatsfeind wurde bezichtigt, wer diese benannte.
Ein System, geboren aus dem Stalinismus – hatte es überhaupt je irgendwann die Chance gegeben, eine DDR zu bauen, von der die junge Künstler:innen-Generation in den 60er Jahren träumte?
Spätestens 1968, als in Prag die sowjetische Armee einmarschierte, wurde deutlich, dass eine politische Reformation in den Staaten der sozialistischen Staatengemeinschaft undenkbar war. Dabei hatte es Anfang der 60er Jahre in der DDR durchaus politische Aufbruchstimmung gegeben, als, unter der Führung von Walter Ulbricht, der Abschottung nach außen (durch den Mauerbau 1961) mit einer politischen Öffnung nach innen begegnet wurde und u.a. freiere Diskussionen zugelassen wurden oder vormals als zu westlich verpönte Jugendkultur gefördert wurde. Es entstanden zahlreiche kritische Filme, Theaterstücke, Bücher, die die Staatsführung zunächst duldete, denen sie aber schließlich gegensteuerte. Das 11. Plenum (Dezember 1965) fasste weitreichende Beschlüsse, repressive Maßnahmen gegen kritische Künstler:innen und Wissenschaftler:innen wurden eingeleitet, der Staatssicherheitsdienst wurde drastisch ausgebaut. Der Wandel dieser Dekade ab Anfang der 60er Jahre bis hin zur gesellschaftlichen Resignation an deren Ende bildet die Hintergrundfolie, vor der wir das Leben Brigitte Reimanns mit autobiografischen Texten aus diesen Jahren reflektieren.
Die jungen Künstler:innen jener Jahre hatten, so unterschiedlich sie waren, eine ganz eigene Weise, die Welt zu betrachten. Frei von der Sorge, sich auf dem Markt verkaufen zu müssen, aber gleichzeitig bedroht durch die Angst, von Schreibverboten oder Schlimmerem betroffen zu sein, entwickelten sie eine sehr feine, wache Sicht auf die Dinge, einen Sinn für die Zwischentöne, ein Bewusstsein für Widersprüche. Beheimatet in Ambivalenzen und mit hohem ethischen und künstle- rischen Anspruch stellte auch Reimann sich nicht nur selbst unablässig die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns, sondern ließ auch die Figuren ihrer Romane sich diese Frage stellen. Doch dabei zerrieben sich die Romanfiguren nicht selbst, vielmehr boten sie den streitbaren Gegenübern mit Führungsanspruch Paroli. Ihre weiblichen Hauptfiguren ließen sich nicht einschüchtern, sie opponierten, protestierten, rebellierten, wie auch Reimann selbst es tat.
Sich vorzustellen, was Protest in einem repressiven Staat bedeutet, ist für Menschen, die das Glück hatten, nicht dort gelebt zu haben, sicher schwierig. Die Beschäftigung mit Texten Brigitte Reimanns kann aber ein Verständnis vermitteln, weil ihre Romane ebenso analytisch wie persönlich sind und Innenwelten aus verschiedenen Figurenperspektiven gleichermaßen offenlegen wie gesellschaftliche Entwicklungen und Machtstrukturen.
Zahlreiche ihrer Frage- und Themenstellungen ihrer Texte weisen Parallelen zur heutigen Zeit auf – so z. B. auch die Frage danach, was wahr ist – heute durch KI aufgeworfen, durch Trump, durch Putin, damals durch die SED-Propaganda. Die globale existenzielle Bedrohung, die vor allem die Jugend aufreibt und auf die Straße treibt – damals das Wettrüsten und heute die Klimakrise, damals der Kalte Krieg zwischen zwei Systemen, heute Autokratien und nationalistische Tendenzen, die sich gegen Demokratien und demokratische Strukturen immer selbstbewusster behaupten können.
So führt die Beschäftigung mit Reimann in die Geschichte und fragt nach den Konditionen des gesellschaftlichen Experiments DDR, um diese zu heutigen gesellschaftlichen Utopie-Entwürfen ins Verhältnis zu setzen. In gleichem Maße führt sie uns ins Heute, indem sich die Leser:innen, gleichgültig welchem System oder welcher Zeit sie angehören, mit der Frage nach der persönlichen gesellschaftlichen Verantwortung konfrontiert sehen.
der Lesung kommt Brigitte Reimann durch ihre Arbeit, ihren zentralen Roman, zu Wort. Wegweisend lässt sich diese Romanfigur, Architektin und Stadtplanerin, begreifen, die viele Wesenszüge ihrer Autorin trägt.
Lesung: Chistine Hansmann
Die Konzert-Performance versteht sich als eine künstlerische Reflexion, in der der Arbeitsprozess Brigitte Reimanns den strukturellen Leitfaden bildet, der sich als permanentes Suchen und Ringen um eine gesellschaftlich tragfähige Utopie beschreiben lässt.
Drei Musikerinnen des Ensemble Megaphon im engen Kontakt zum Publikum: Die drei Frauen (Stimme, Violine, Klavier, Elektronik) agieren aus drei unterschiedlichen Positionen heraus. Kurze Ausschnitte aus den Tagebüchern der Autorin werden von den Musikerinnen selbst gesprochen. Sie ziehen sich durch das gesamte Stück und verweisen auf unterschiedliche Aspekte der Persönlichkeit Brigitte Reimanns, die sich als Schreibende, als Kunstproduzierende ihrer Wirksam- und Sichtbarkeit gewiss war, während sie sich in ihrer privaten Realität immer wieder als Scheiternde erlebte: an Lieben, Liebschaften und Krankheit. Aus den Aufzeichnungen werden Worte gedehnt, wiederholt, im Klang gefärbt ... aus Text wird auf diese Weise musikalisches Material.
Podiumsgespräch in Fishbowl-Format
Architektur, Stadtplanung und Utopie
mit Gesprächspartner:innen aus der jeweiligen Region
Dilek Ruf (Architektin/BBU-Projekt)
Gerd Runge (Architekt/stadtgesellschaftlicher Aktivist)
N.N. (Aktivist:in Letzte Generation)
Christine Hansmann Moderation
Lenka Župková
Violine, Komposition und Künstlerische Leitung
Tatjana Prelevic
Klavier und Komposition
Sophia Körber
Sopran
Andre Bartetzki
Sound und Technik
Anja-Chrisnn Winkler
Konzept und Regie
Ilka Seifert
Konzept und Regie